Sepien in der Oosterschelde!

Am Freitag, 08.05.09, übernahm 1Live zuerst das Gasolin und dann ganz Münster. Und Maik und Christian fuhren schwer bepackt mit Tauchausrüstung in Richtung Westen, um der Invasion der atlantischen Sepien in der Oosterschelde beizuwohnen. Dies ist der Bericht von einem einzigartigen Tauchwochenende:

War das Wetter in Deutschland noch eher grau, besserte es sich genau auf der niederländischen Grenze und wandelte sich in strahlenden Sonnenschein, der das ganze Wochenende halten sollte. Nach 3 Stunden Fahtzeit kamen wir in Renesse an und bezogen unser Hotel. Dort luden wir nur kurz die Schlafsachen aus und machten uns auf den Weg zum Nachttauchen bei t`Kopeltje. Nachdem wir mit einiger Anstrengung den Deich überwunden hatten, standen wir staunend vor einem gigantischen Steg mit 2 Leitern und einem Lift für Tauchequipment, der uns den Einstieg in Wasser sehr angenehm machte.

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Der Platz ist optimal geeignet für Nachttauchgänge. Man taucht einen Hang entlang, der 12m steil abfällt und danach etwas flacher abfällt bis auf 25m und mehr. Der obere Teil des Hanges ist übersäht von Austern zwischen denen sich alles tummelt, was im Grevelinger Meer lebt. Die Vegetation ist sehr abwechslungsreich, da der Platz nahe an den Schleusen des Sperrdammes liegt. Große Seenadeln, Froschdorsche und natürlich die Herren des Grevelinger Meers, die Hummer! Aber auch das kleinere Krabbelgetier kommt in Massen vor. Als Besonderheit kam diesmal die Anwesenheit von tausenden von Ohrenquallen hinzu, die den Tauchplatz an einigen Stellen gefühlt in Gelee verwandelten. Mit 14°C Wassertemperatur war es auch nach einer Stunde alles andere als kalt, nur beim Umziehen nach dem Tauchgang war es etwas kühl im Wind. Auf der Rückfahrt erfreute uns der in den Niederlanden übliche Radiotechno, zum Glück  fanden wir 200m vom Hotel entfernt eine anständige Rock-Kneipe, die uns nur 24h später schwer in Erstaunen versetzen sollte. Nach einigen Drinks beschlossen wir den Abend zu beenden und uns für den nächsten Tag auszuschlafen.

Obwohl der Wecker zu früh klingelte, waren wir fix auf den Beinen, denn heute stand das eigentliche Ziel unseres Trips auf dem Plan: Die Paarungszeit der atlantischen Sepien (Sepia officinalis) in der Oosterschelde. Seit Monaten fieberten wir diesem Ereignis entgegen und wir sollten nicht enttäuscht werden. Als Tauchplatz hatten wir einen Klassiker ausgewählt, die Zeelandbrücke bei Zierickzee bietet optimale Bedingungen für die Sepien. War die Planung von Tauchgängen vor einigen Jahren noch durch schwierige Informationsbeschaffung gekennzeichnet, haben unsere niederländischen Taucherkollegen  dieses Thema mit Hilfe des Internets aufbereitet. Auf mehreren Websites gibt es Tauchplatzkarten, Anfahrtsbeschreibungen mit Navi-Daten und Sicherheitshinweise und – für uns am wichtigsten – die Gezeitenberechnung auf Mausklick für jeden einzelnen Tauchplatz. Nicht nur in Bezug auf das Wetter hatten wir das perfekte Wochenende erwischt, denn mit Niedrigwasser um 10:00 Uhr und Hochwasser um 16:00 Uhr direkt vor einer Vollmondspringtide lagen die Tauchgänge äußerst bequem. Der Tidenhub beträgt dort gute 3m. Insofern präsentiert sich die Brücke bei Hoch- und Niedrigwasser auf sehr unterschiedliche Weise.

Image Der Tauchplatz war bereits gut gefüllt als wir ankamen. Sogar ein Kamerateam war da, um das Event für die Nachwelt festzuhalten. Allerdings waren wir die einzigen Deutschen unter lautern Belgiern und einigen Niederländern. Auch hier gibt es einen bequemen Einstieg mit Seil zum Festhalten und kurz vor dem Umkehrpunkt der Tide ist die Strömung auch sehr entspannt. Endlich konnte es losgehen und schon 2 Minuten nach dem Abtauchen war es soweit: Die erste Sepia tauchte im Lichtstrahl der Lampen auf! Dann ging es auch schon Schlag auf Schlag. Im Schnitt waren die Tiere 50cm lang, die Weibchen etwa 1/3 kleiner als die Männchen, einzelne waren aber noch deutlich größer. Auf 10m Tiefe wurden in der Oosterschelde 1m lange Zweige zusammengebunden, die den Sepien die Möglichkeit bieten, ihre Gelege daran zu befestigen. Der Eiablage gehen heftige Revierkämpfe und ein eindrucksvolles Paarungsverhalten voraus, bei dem sie sich von ein paar Tauchern nicht stören lassen. Nach der Paarung bleiben die Tiere in der Nähe ihrer Gelege, wobei sie als Pärchen deutlich zusammenbleiben. Meist schwebt das Männchen über dem Weibchen und hat einige Arme über dessen Rücken gelegt. Nach gut einer Stunde beendeten wir diesen unglaublichen Tauchgang und sofort im Anschluß wurden im Auto die Bilder gecheckt.

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Auf die Mittagspause mit Frikandel speciaal folgte am Nachmittag ein zweiter Tauchgang an der Brücke. Diesmal war schon auf dem Parkplatz deutlich mehr los. Waren wir beim ersten Dip nur links vom Pfeiler gewesen, starteten wir diesmal auf der rechten Seite und liessen uns nach dem erfolgreichen Kontakt mit den Kopffüßern von einer Horde Tekkies in Richtung Pfeiler vertreiben. Diese Idioten scheinen im Wasser grundsätzlich aufrecht zu stehen, aber sind um ihre Ausrüstung zu beneiden. Auch bei diesem Tauchgang hatten wir die Sepien gute 40 Minuten vor der Nase, allerdings rund 3 m tiefer und bei etwas besserer Sicht. Ich lasse auch hier lieber mal die Bilder sprechen.

Bis dahin war der Tag ein voller Erfolg gewesen, wir kehrten ins Hotel zurück und ließen uns im Ort eine Pizza schmecken. Mit etwas zu wenig Schlaf und ordentlich Stickstoff in den Knochen hielt sich die Partylaune noch in Grenzen. Alls wir jedoch aus dem Rock-Cafe die verlockenden Klänge einer brasilianischen Thrash-Metal Band vernahmen, beschlossen wir noch ein Bier an der Theke zu trinken. Der Laden war deutlich besser gefüllt als am Abend zuvor, was wohl mit der Live-Band zusammen hing, die sich auf der Bühne fertig machte. Nach dem Soundcheck entschieden wir uns spontan zum Bleiben und hatten so das Glück nach einem perfekten Tauchtag die Band Backlash kennenzulernen. Bei den ersten Takten verteilte der Barkeeper Gehörschutz, was dringend angebracht war, denn das Geknüppel war nicht nur simpel und hart sondern hatte auch gute 120 Dezibel. Da der Sänger bei Aufrechterhaltung seines Hobbies in einem Jahr keine Stimme mehr haben wird, bedanken wir uns hier schonmal recht herzlich für diesen Gig!

Am Sonntag räumten wir gegen 09:00 Uhr das Hotel und machten uns auf den Weg an die südliche Scheldeküste, zum Tauchplatz Goese Sas. Da dieser nur bei Niedrigwasser tauchbar ist, passten auch hier die Gezeiten wunderbar in ein entspanntes Wochenende. Etwa 50 Taucher machten sich am Tauchplatz fertig, im Wasser haben wir aber nachher nur zweimal andere Taucher gesehen.  An diesem Platz war die Strömung wegen der weit hinausragenden Bunen deutlich stärker als an der Brücke. Zu Beginn tauchten wir im 90-Grad Winkel zur Strömungsrichtung und flogen parallel zum Ufer dahin. An den beschriebenen Stellen tauchten nach kurzer Zeit in etwa 8m Tiefe die Sepia-Opstellings auf, die wir bereits von der Brücke kannten, und auch diesmal dauerte es nicht lange, bis die zehnarmigen Kollegen aus dem trüben grün der Oosterschelde auftauchten. Wegen der starken Trübung des Wassers sind nur wenige meiner Bilder frei von überblitzten Schwebeteilchen. Leider habe ich keine Kamera mit schwenkbarem Blitz, trotzdem konnten wir auch hier wieder einige nette Aufnahmen machen. Bei unserem inzwischen dritten Tauchgang hatten wir das Ausleuchten mit der Tauchlampe soweit perfektioniert, dass das Knipsen ohne Blitz recht ordentliche Ergebnisse produzierte.

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ImageGleich mehrere Paare hatten sich bei unserem Eintreffen bereits gefunden und waren in ihre Paarung vertieft. Als Eindringling in einen derart privaten Akt fühle ich mich immer ein wenig peinlich berührt, wenn mich der direkte Blick der sehr beschäftigten Tiere trifft, aber das habe ich gern auf mich genommen, um Euch daran teilhaben zu lassen. Die Sepien vollziehen eine Art Oralverkehr, bei dem sie sich mit allen Armen versetzt festhalten, zucken und das Männchen irgendetwas mit seinem Begattungsarm in der Mundhöle des Weibchens tut. Da sie sich dabei nicht direkt in die Augen sehen können, wirkt es zum Schreien komisch, wenn einzelne Arme herumtasten und sie, wenn sie sprechen könnten, sicher etwas wie „Ga rein, gu Idioh“ grunzen würden …
Bei unseren Aufnahmen kam es zu einem unschönen Erlebnis, als wir von einigen anderen Tauchern entdeckt wurden, die sich wir eine Rinderherde auf der Stelle herumwälzte und mit ihren Flossen nach allem traten, was sich nicht in Sicherheit bringen konnte. Auf einem der Videos ist gut zu sehen, was da passiert und es stellt wieder mal ein gute Ermahnung dar, sauber zu tarieren und auf den Umweltschutz zu achten. Leider liess sich der Unhold nach dem Tauchgang nicht eindeutig identifizieren, was eine Standpauke verhinderte. Da zu diesem Zeitpunkt die Strömung fast gänzlich nachgelassen hatte, blieb die aufgewirbelte Wolke über den Tieren stehen, schützte sie vor weiteren Nachstellungen und auch wir traten den Rückweg an.

Nach dem Tauchgang ging es wieder zurück nach Münster, alles in Allem ein gelungenes Wochenende, das danach schreit, zu einer festen Institution im Jahr zu werden.

Maik und Christian

Allen Interessierten stellen wir natürlich gern unser Wissen um dieses eindrucksvolle Naturereignis zur Verfügung!