„Leistung: Unterbringung in Appartements, Land- und ein Nachttauchgang, Ausrüstung bis auf ABC„ So (ähnlich) präsentiert sich die Beschreibung des Kurses 0420-02, der Tauchexkursion des Hochschulsports Münsters nach Cadaqués. Reichlich nüchtern meiner Ansicht nach und zudem das, was man zu neudeutsch als „Understatement“ bezeichnet.
Demzufolge versuche ich in den folgenden Zeilen, besagten Urlaub etwas subjektiver und ein wenig vollständiger, wenn auch bei weitem noch immer nicht in allen seinen Einzelheiten, darzustellen:
Donnerstagabend, 20.05. 2010. Ich sitze in einem kleinen Arbeitsraum in meiner Uni und erarbeite mit meiner Mitstreiterin Argumentationsgerüste von gewagter Höhe. Die Stimmung ist nüchtern und konzentriert.
Mitten in der Arbeit klingelt mein Handy. Es ist Frank, mit dem ich zuletzt in Lingen und in Holland die Unterwasserwelt unsicher gemacht habe und der jetzt wieder ein Mitglied der insgesamt achtzehn Köpfe starken Combo ist, die ein nur allzu verständliches erklärtes Ziel hat: Raus aus dem viel zu kalten deutschen Mai!
Konkret steht, endlich, endlich, endlich!, die HSP-Tauchexkursion nach Cadaqués an der spanischen Costa Brava an. Entgegen meiner Befürchtung ruft mein Buddy nur an, um mir mitzuteilen, dass unsere Bullis planmäßig abgeholt sind und dass es nunmehr losgehen kann. Nur mit Mühe kann ich meine Aufregung und Vorfreude auf den bevorstehenden Tauchurlaub unterdrücken und weiterarbeiten. Irgendwie gelingt es aber doch, doch spätestens als der Gegner auseinandergenommen ist und ich durch die viel zu schwache Abendsonne nach Hause fahre, um meine Sachen zusammenzupacken, hat mich das Fieber wieder gepackt.
Aufstehen und Zugfahrt am nächsten Morgen sind ein Kinderspiel, denn was mich erwartet, habe ich aus dem letzten Jahr noch in buntesten Farben vor Augen. Und doch weiß ich, dass alles anders wird. Einerseits, weil die diesjährige Teilnehmerschaft, insgesamt achtzehn Leute, die ein breites Spektrum an Berufen, Studiengängen und Brevets abdecken, größer und komplett anders zusammengesetzt ist. Viele kenne ich schon aus anderen Urlauben oder vom Apnoetraining und zähle sie schon seit geraumer Zeit zu guten Freunden über wie unter Wasser. Andererseits, weil unsere Übungsleiter Stefan, Jens, Christian, Maik, Daniela und Britta dieses Jahr das Kursprogramm etwas umgestellt haben- nur zum Besseren, wie ich später bestätigen kann.
Im mittlerweile passablen Sonnenschein treffen wir uns am Freitagnachmittag am Tauchstall- „Das ist da, wo man nachts die Seepferdchen unterbringt.“- und begutachten unsere Beute, einen kleinen Bulli und ein riesiges Schlachtschiff, das nach und nach unser aller Gepäck schluckt. Die Stimmung zu lockern ist überflüssig, wir freuen uns über das gute Wetter, einige zugegebenermaßen sehr klebrigen Donuts und vor allem auf die bevorstehenden Tage. Nachdem Teilnehmer, Navis, Spritgeld und verbleibende Donuts auf die beiden Autos verteilt sind, winke ich als Teil der neunköpfigen Besatzung des Sternenkreuzers den Kollegen im kleinen Bulli und unserem Bodenpersonal und verlasse Westfalen.
Nach einigen Kilometern haben wir uns an unser Schlachtschiff gewöhnt, unerlässliches Equipment in Form einer Sonnenbrille und einem mütterlich-liebevoll zusammengepackten Süßigkeitenvorrat in Köln abgeholt haben, uns im Schlagabtausch (Ich sag nur: „hochtourig“, näh!) geübt und uns auf den aktuellen Stand gebracht. Die Nacht wird durchgefahren und der aktuelle Fahrer mit Unterhaltung durch die Co-Piloten und bisweilen interessante Einfälle des Navis bei Laune gehalten.
Mich weckt nach dem Schlaf nach meiner „Schicht“ durch -bzw. dieses Mal wirklich entlang- Lyon die Morgensonne, die erfreulich kompromisslos durch die Scheibe scheint. Bereits zum Frühstück werden somit die Sonnenbrillen ausgepackt. Ein überdimensioniertes Thermometer kurz vor der spanischen Grenze klärt uns darüber auf, dass wir gegen neun Uhr bereits sportliche 21°C haben und somit in die richtige Richtung gefahren sind. Bei wolkenlosem Himmel passieren wir die spanische Grenze und sind kurz darauf in Roses, wo wir uns mit Lebensmitteln eindecken. Es folgt die Reise „über den Berg“, bei der wir die Aufregung nur zurückhalten können, weil wir einen spektakulären Ausblick auf die malerischen Nachbardörfer unseres Zielortes genießen. Bald liegt dann auch Cadaqués selbst vor uns und wir treffen gemeinsam mit Torsten, der geflogen ist, an der Tauchbasis Ulla und Paul ein. Unsere Ülis sind schon da und begrüßen uns an Land oder stilgerecht aus dem Wasser. Sie haben alles mal wieder bestmöglich vorbereitet, kurz darauf dürfen wir schon unsere Appartements beziehen. Zu selbigen sei nur folgendes gesagt: Die Finanzierung des Ankaufs und die Nutzung der Räume als Arztpraxis, Wohnung und Restaurant (man sollte anmerken, dass sie diese drei Funktionen auch bei uns innehatte…) der unglaublich geräumigen Villa, die keine denkbaren Wünsche unerfüllt lässt, wird in den nächsten Tagen zum Dauerbrenner.
Am Abend haben wir uns alle schon ganz hervorragend eingelebt, ohne dafür einen Fuß in das Wasser gesetzt zu haben. Nachdem Frank uns ein ganz wundervolles Abendessen gezaubert hat, machen wir uns mit der gesamten Gruppe auf in den Ort, um uns untereinander, sofern noch nicht geschehen, kennen zu lernen. In entspannter Atmosphäre wird der Plan für den folgenden Tag festgelegt, an dem die ersten Tauchgänge anstehen. Danach machen sich die ersten auf, um entweder das Hostal, auf das an späterer Stelle noch eingegangen werden soll, zu erkunden, oder der doch irgendwie merkbaren Reisemüdigkeit nachzugeben. Ich sitze, wie so oft, in Gespräche verwickelt, bis ich mit Maik aufbreche, um die letzte Teilnehmerin, die mit mir das Zimmer teilen würde und die die gewagte Anreise mit Flugzeug und öffentlichen Verkehrsmitteln auf sich genommen hat, abzuholen. Mal wieder ist alles viel zu interessant, um „schon“ schlafen zu gehen und ich falle erst viel zu spät ins Bett, als die Müdigkeit endgültig die Oberhand über die Vorfreude auf Zackenbarsche, Oktopusse (Anm.: Das ist der richtige Plural.) und Flabellinas gewinnt.
Am nächsten Morgen wird gemütlich gefrühstückt und danach der am Abend zuvor ausgeteilte Atemregler geschultert- Es geht ans Tauchen. Die Tauchbeginner werden die ersten drei Tage durch Christian und Jens betreut- aus eigener Erfahrung weiß ich, dass ihnen eine zwar anspruchsvolle, aber ungemein qualifizierte Ausbildung bevorsteht, an deren Ende sie das begehrte CMAS*-Brevet erhalten sollen. Dass die Qualität dieser Ausbildung meiner Ansicht nach angesichts der Kompetenz und des Engagements der Übungsleiter wohl schwer übertroffen werden kann, ist bereits gesagt und oft bestätigt worden, nicht zuletzt auch wieder durch die Beginner dieser Exkursion.
Für die bereits brevetierten Taucher sieht der Plan etwas anders aus. Vom gerade ausgebildeten Bronzetaucher mit sechs Tauchgängen in deutschen Seen bis zum erfahrenen Silber- bzw. Rescuediver werden wir durch Britta, Daniela, Stefan und Maik durch die beiden Basisbuchten Oliguera und El Bofill betaucht.
Die Prozedur: Briefing, in dem Tauchort und Konstellation, eventuelle Probleme und zu erwartenden Fische besprochen werden, „Anrödeln“ des „Geraffels“…
Wenngleich das Anziehen des Anzugs für den einen oder anderen bei den sommerlichen Temperaturen recht anstrengend werden kann, so bleibt die Stimmung stets erwartungsvoll.
Zu Recht: Nachdem der Einstieg ins Wasser gelungen ist und ein kurzes Fragen in die Runde ergibt, dass alles in Ordnung ist, tauchen wir im wahrsten Sinne des Wortes in eine andere Welt. Immer wieder aufs Neue fasziniert von gorgonienbewachsenen Wänden und bizarren Steinformationen treffen wir auf Schwärme von Brassen und Mönchsfischen, „grasende“ Lippfische und auf der Lauer liegenden Muränen.
Die langsam verschwindenden Rottöne markieren den Weg in die andere Welt und auch wenn bald die eine oder andere markante Stelle wiedererkannt wird, so ist jeder Tauchgang anders. Mal zeigt man staunend auf besonders große oder bunte Fische und ist begeistert ob der Vielfalt und Schönheit unter Wasser. Ein anderes Mal ist man bestrebt, die Technik zu optimieren. Und ein weiteres Mal hat die tiefer liegende Welt eine meditative Wirkung, der selbst ich als an Land eher aufgedrehtes Wesen mich nicht entziehen kann. Mit dem Gefühl der vollkommenen Zufriedenheit lasse ich alle Überwassersorgen hinter mir und komme nicht einmal dazu, meine Gedanken schweifen zu lassen: Ich bin einzig und allein damit beschäftigt, den Moment zu verarbeiten und in stiller Freude das Bild der belebten Wracks unter und der riesigen Schwärme über mir zu genießen und auf ewig zu behalten.
So entdecke ich Oktopusse in ihren Höhlen und Drachenköpfe, die gelassen auf den Steinen verweilen. Die Ülis zeigen uns Langusten, Muränen und Schnecken von bizarrer Form und Gestalt und sorgen nebenbei für Sicherheit und dafür, dass wir rechtzeitig den Rückweg antreten. Den Ausklang des Tauchgangs markieren die langsam wieder bunteren Farben und das beim Sicherheitsstop auf drei Metern durch die Wasseroberfläche brechende Sonnenlicht. Wir tauchen auf und machen uns auf den Weg zurück zur Basis, rödeln auseinander und besprechen den Tauchgang: Vorerst nur die wichtigsten Eindrücke beim Spülen der Anzüge, später alle Ereignisse beim Debriefing. Nachdem Stempel und Unterschriften ausgetauscht sind und man feststellen muss, dass eine Spalte kaum reicht, um alles aufzuschreiben, halten wir spanische Siesta. Beim Sonnenbaden auf dem Balkon oder Aufladen der Energiereserven reflektieren wir ein weiteres Mal den letzten Tauchgang und freuen uns auf den nächsten, bei dem uns das Gleiche in vollkommen anderer Gestalt erwartet.
Nachdem der zweite Tauchgang beendet und das Tauchequipment beim Dekobier langsam vor sich hintropft, steht immer neue Abendgestaltung an. Nach einem fantastischen Essen, das keine Wünsche offenlässt, treffen wir uns im Hostal (über das, frei nach dem Motto „Was hinter dem Berg passiert, bleibt hinter dem Berg“ nur die sachliche Info gegeben werden soll, dass in dieser kuriosen, etwas schummerigen Bar einst Salvador Dalí persönlich Wände und Böden verzierte) oder laden Neptun auf unsere Terasse ein- jedes Mal jedoch sind die Abende dominiert von unzähligen wunderbaren Gesprächen, Lachsalven („Das ist kein Blut“- „Das ist nicht mein Blut“) und unzähligen Bildern, die sich fortwährend ins Gedächtnis brennen. Obgleich ich totmüde bin, kann ich mich immer nur mit Mühe überwinden, ins Bett zu gehen.
Trotz der späten Abende kann ich morgens immer wieder mühelos aufstehen und bin spätestens nach dem ersten Kaffee und Lachern (die unter anderem schon durch den in den falschen Kontext gesprochenen Satz „Mama, hast du gerade angerufen?“ provoziert werden) bester Laune und freue mich auf die nächsten Tauchgänge, das Dekobier in der fabelhaften Gesellschaft meiner wunderbaren Buddys und Guides.
Viel zu schnell neigt sich die Woche dem Ende zu und klingt nach dem Bergfest mit vier besonderen Tauchgängen in den letzten zwei Tagen aus: Ein Bootstauchgang an der Maza, einem der spektakulärsten Tauchplätze der Region, fordert uns mit reichlich Strömung heraus, der am Abend folgende Nachttauchgang hat etwas Geisterhaftes und endet mit heißer Schokolade unter dem Sternenhimmel.
Am letzten Tag haben die Ülis noch eine besondere Überraschung vorbereitet, über die ich hier, so schwer es mir fällt, nicht zu viele Worte verlieren will- nur so viel: Sie war gelungen und machte den an sich schon großartigen Urlaub noch eine Spur genialer.
Am letzten Morgen wird zusammengepackt und wir verabschieden uns schweren Herzens von der Basis und den Ülis. Von Pur und anderen musikalischen Schätzen getragen, bringt unser großes Schlachtschiff uns durch Frankreich wieder nach Deutschland. Irgendwann zwischen Nacht und frühem Morgen verabschieden wir uns schläfrig und etwas zerknirscht voneinander, weil wir eigentlich noch nicht wahrhaben wollen, dass der Urlaub schon vorbei ist. Langsam leert sich der Cadaqués-Express, bei jedem Abschied fällt der gleiche Satz: „Nächstes Jahr bin ich wieder dabei!“.
„Nächstes Jahr wieder!“ Ich für meinen Teil kann das ebenso unterstreichen. Denn hinter mir liegt ein wunderbarer Urlaub, der über und unter Wasser unglaublich und eigentlich schwer zu beschreiben ist: Obgleich schon viele Worte gefallen sind, ist noch so viel mehr geschehen, was hier keinen Platz findet.
Die verbleibenden Sätze möchte ich aber nicht in diesem Sinne verwenden, sondern für den einen oder anderen auszusprechenden Dank nutzen:
Zum Einen an Claas und seine wunderbare Crew, die sich nicht nur um unseren Fund Ben bzw. Collin rührend gekümmert haben.
Weiterhin gilt mein herzlicher Dank allen Teilnehmern: Sofern ihr nochmal mit mir los wollt, steht dem Spaß nichts entgegen, denn ich bin wieder einmal beeindruckt und begeistert von der Vielzahl an wunderbaren Menschen, die ich an der Costa Brava (noch besser) kennen lernen durfte. Anders ausgedrückt: Der Urlaub mit euch hat gefetzt, näh! (Und prüde seid ihr natürlich nicht…)
Last but not least: Die Übungsleiter! Das neue Konzept hat euch hoffentlich den einen oder anderen Freiraum gegeben. Trotzdem habt ihr weit mehr geleistet als in der eingangs angeführten Programmbeschreibung. Ein großes Lob für die großartige Planung und Durchführung, vielen Dank dafür, dass ihr euch mal wieder über Gebühr engagiert habt und auch nach „Feierabend“ immer ein offenes Ohr und einen Moment Zeit für taucherische Belange und andere Gespräche hattet. All das könntet ihr guten Gewissens in die Leistungsbeschreibung aufnehmen.