Gegen 4 Uhr schlichen am 3. Oktober dunkle Gestalten um den Tauchstall und stellten Ausrüstung für ein neues Projekt zusammen. Das Erkundungsteam „HSP-Flußtauchen“, bestehend aus Eva, Maik und Christian, startete zu einem Kurztrip in die Schweiz, genauer gesagt ins Tessin an den Lago Maggiore. Nach einem Stau vor dem Gotthard-Tunnel und kleineren technischen Schwierigkeiten erreichten wir um 15 Uhr das Tal der Verzasca und machten uns an der Römerbrücke für den ersten Tauchgang fertig….
In Newsgroups und auf schweizer Tauch-Websites hatten wir uns mit Informationen rund um das Tauchen in Gebirgsflüssen vorbereitet und waren bestens ausgerüstet. Zum Tauchen eignete sich demnach nicht der ganze Fluss sondern nur die sogenannten Gumpen, ausgespülte Becken mit ruhigem Wasser, da es mit Quetschluft auf dem Rücken wenig ratsam sei Wasserfälle herunter zu sausen. Aber anstelle gefährlich reißender Wassermassen erwartete uns malerisch blaues und glasklares Wasser in der Verzascaschlucht.
Eine Sicherung des Tauchplatzes mit Seilen am Ein- und Ausstieg war somit unnötig und wir konnten direkt in unsere Schläuche hüpfen und uns ins Wasser werfen. Als ersten Tauchplatz wählten wir die „Römerbrücke“ am Pozzo dei Salti bei Lavertezzo. An der schmalen Bergstraße war es nicht ganz einfach einen Parkplatz zu finden, denn auch bei Nicht-Tauchern erfreut sich die Gegend offensichtlich hoher Beliebtheit. Kleingeld für die Parkautomaten nicht vergessen – die standen dort überall. Das Umziehen an von Italienern befahrenen Bergstraßen ist nicht ganz ungefährlich und ein paar Meter muss man immer laufen aber es lohnt sich, wie wir kurz darauf feststellen konnten. Wir begannen den Tauchgang gegen die Strömung unter der Brücke hindurch. Obwohl die Sonne um diese Uhrzeit schon nicht mehr im Tal stand, war es unter Wasser hell und klar und die Sicht betrug ungefähr 20m. Sofort fielen die großen, glatt abgeschliffenen Felsen und Wände ins Auge und der Verdacht lag nahe, dass der Fluss sich nicht das ganze Jahr über so friedlich präsentieren kann um solche Formationen zu bilden. Die Strömung war sehr moderat, nur in Engstellen und direkt an den Wänden war das Schwimmen ein wenig anstrengend. Auf dem Grund lag im Strömungsschatten feiner Kies und mit steigendem Strömungseinfluss lagerten sich runde Steine ab, nirgends gab es scharfe Kanten oder Ecken. Der Tauchplatz war etwa 150m lang und flussaufwärts durch das hereinstürzende Wasser aus dem oberen Becken begrenzt. Hier blies uns die Strömung unsere Luftblasen um die Ohren und nach kurzer Zeit ließen wir uns zurückfliegen. Die nasstauchenden Teile unseres Teams waren mit 25 Minuten im 11°C kalten Wasser ausreichend tiefgekühlt und wir kletterten zurück zum Auto. Nach dem Tauchgang gab es eine zwar nicht gerade günstige aber umso bessere Pizza im Ristorante Posse – ebenfalls eine Internetempfehlung.
Am Abend bezogen wir unser 1,5 Zimmer Studio in Locarno mit Blick auf den Lago Maggiore und nach einem Bier und wenigen Minuten von Florian Henckel von Donnersmarcks oscar-prämiertem Meisterwerk im deutschen Fernsehen schliefen wir tief und fest.
Das italienische Frühstück, Tasse Kaffe und Croissant, kaum verputzt waren wir schon wieder auf dem Weg ins Verzasca-Tal. An unserem zweiten Tag wollten wir uns die Tauchplätze unterhalb der Römerbrücke vornehmen. Wir starteten mit dem Amslerbecken, dem Pozzo della Misura zwischen Vogorno und Lavertezzo. Wie an den anderen beiden Plätzen gab es wenig Platz für Autos aber Warntafeln und Notrufsäulen an den Einstiegen. Dass die Bergrettung in dieser Gegend schwer auf Draht ist konnten wir morgens an einer großangelegten Übung, am Verzasca-Stausee feststellen bei der Feuerwehr und Taucher ein abgestürztes Auto aus dem See bargen. Waren wir gestern noch allein im Wasser, hatten wir diesmal Gesellschaft unter Wasser, denn zwischen 10 und 13 Uhr steht der Tauchplatz voll in der Sonne. Das Licht ließ den Tauchplatz in vollem Glanz erstrahlen und gab uns die Möglichkeit einige schöne Bilder zu machen. Nach 30 Minuten auf 6-10m fingen meine Begleiter wieder an zu zittern und wir verließen das Wasser um uns bei einer Pizza im schon bekannten Ristorante Posse aufzuwärmen.
Zu zweit starteten wir zum zweiten Tauchgang, diesmal an der Pozzo delle Posse im unteren Becken – leider genau mit allen anderen Gruppen zusammen, so dass es unter Wasser ziemlich voll wurde. Mit fünf weiteren Gruppen im Wasser hatten wir die Möglichkeit offensichtlich höchst erfahrene Flusstaucher zu beobachten und direkt von ihnen zu lernen. Höchst amüsant – zumindest für mich als Trockentaucher – gestaltete sich der Ausstieg. Auch an diesem Patz war der Ausstieg der Einstieg und diesen konnte jeweils nur ein Taucher nutzen. Wegen der Strömung hatte eine Gruppe ein Seil quer über den Fluss gelegt, das ist dank der Felsanker recht einfach machbar, doch das vereinfachte den Ausstieg nicht für jeden. Der unbeholfene Versuch das Wasser zu verlassen brachte einen jungen sportlich aussehenden Taucher in die Ausflussströmung des Beckens und er konnte sich mit Mühe am Seil festhalten. Leider beschränkte er sich auf das festhalten und zog sich nicht den einen Meter zum Ausstieg, so dass sein Kollege sich bemüßigt sah ihm zu Hilfe zu eilen. Leider war diese Hilfe ohne Halt von vorn herein zum Scheitern verurteilt und so wurde fast 10 Minuten kräftig gestrampelt, was unter Wasser zu einem regelrechten Stau führte, der den ein oder anderen Nasstaucher an die Grenzen seiner Belastbarkeit führte. Direkt im Anschluss ging es wieder zu dritt in das obere Becken.
Abends verschlug es uns nach Ascona in ein traditionelles Grotto, ein ortsübliches es-wird-gegessen-was-auf-den-Tisch-kommt-Lokal. Da wir am nächsten Morgen das Appartement schon wieder räumen mussten, war auch dieser Abend ein kurzer. Das Auto war morgens schnell gepackt und wir machten uns auf den Weg ins benachbarte Val de Maggia. Der Tauchplatz hinter der Ponte Brola war schnell gefunden, ein bequemer Einstieg an einem großen Sandstrand. Große Felsblöcke trennten ein ruhiges Becken vom Fluss ab, dahinter stürzte sich ein Wasserfall in die Schlucht. Ebenfalls max. 7m tief war der Platz aber deutlich größer als die an der Verzasca und es gab noch einen Unterschied: Fische! Zwar hatten wir auch in den Tagen zuvor immer die eine oder andere Forelle gesehen aber hier wimmelte es geradezu von großen und kleinen Döbeln. Auch hier fanden wir die ausgewaschenen Felswände und die großen Blöcke. Unter einem Wasserfall entlangzutauchen war etwas Besonderes und so leerten wir die Flaschen auf einen straßentranportgemäßen Druck. Im Anschluß ging es auch schon wieder auf die Straße, diesmal über den Gotthard-Pass im stahlenden Sonnenschein. Beim Zwischenstop in Konstanz gab es leider keinen Tauchgang im Bodensee mehr, dafür aber eine Rückfahrt im Regen, die ohne Probleme als Tauchgang durchgehen konnte.
Abschließend läßt sich sagen, die Tauchplätze an der Verzasca und Maggia zeichnen sich durch klares kaltes Wasser aus. Sie sind weder besonders tief noch besonders ausgedehnt, bestechen aber durch ihr einzigartiges Ambiente. Das Tauchen in Gebirgsflüssen ist in jedem Fall mit einigen Risiken verbunden, gerade wenn man nicht über Ortskenntnis verfügt – der gesunde Menschenverstand hilft hier aber Gefahren zu erkennen und sicher zu tauchen. Erfahrung im Planen von Tauchgängen ist sicherlich von Vorteil, im Hochsommer bis in den Oktober hinein war hier das Tauchen gefahrlos möglich – oft sind andere Taucher oder Tauchschulen vor Ort, die Plätze absichern und unter Wasser die Ausstiege markieren, dies lässt sich aber auch problemlos selbst machen. Am Ende dieses Artikels haben wir Euch einige Info-Adressen für das Flußtauchen in dieser Gegend zusammengestellt. Die Flaschen kann man direkt am Ristorante Posse füllen lassen, einfach fragen und 10 SFR für eine 10L Flasche zahlen. Bei den geringen Tiefen und nicht allzu langen Tauchzeiten kommt man mit einer 10er bequem für den Tag aus. Generell gilt für das Setup der Ausrüstung weniger ist mehr und Beweglichkeit ist Trumpf.
Neugierig geworden? Dann findet Ihr hier noch einige Informationen:
http://www.verzasca.com/river/de/
Hier findet Ih
Taucheinschränkungen im Tessin
Gebiete die das ganze Jahr hindurch zugänglich sind: Verzasca-Tal: Posse, Ponte dei salti, Misura
Maggia-Tal: Ponte Brolla, Brontalla, Bignasco, Cavergno.
Tauchverbots-Perioden im übrigen Gebiet: Laichzeit der Forellen: Oktober bis Januar
Fischereieröffnung:
- bis 1200 m: letzter Sonntag im März
- über 1200 m: zweiter Sonntag im Juni
- in den Bergseen: zweite Juniwoche
Eröffnung der Jagd: vom 7. bis 23. September.
Ausnahmen:
können von einer gemischten Kommission bestehend aus Fischern und Tauchern, beschlossen werden.
Um weiterhin in den Tessiner-Gewässern tauchen zu können:
in den Flüssen beschränken wir uns auf das Tauchen, wir unterlassen störende Tätigkeiten wie das Betreiben von Kompressoren oder UW-Scootern
Kontakttelefon
Sub Lavertezzo 091 746 16 91 / 091 746 17 23
Füllstation in Verzasca
c/o Rist Posse, Lavertezzo, 091 746 17 96